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Die schleichende Zombifizierung

Die Freunde des Horror-Genre Zombie-Movies kommen gleich voll auf ihre Kosten. Es geht in diesem Blog nämlich um die Zombifizierung unserer Wirtschaft. Bei den Zombies hier handelt es sich aber nicht um eklig aussehende Wesen, die nachts aus Gräbern steigen, sondern um Zombie-Unternehmen. Liebe Horrorfilm-Freunde, jetzt bitte nicht arg enttäuscht sein.

 

Wer es mangels Sparvermögens oder mangels nicht benötigter Kredite noch nicht bemerkt haben sollte: Das Zinsniveau befindet sich gelinde gesagt seit einigen Jahren massiv im Keller. Viele Notenbanken verlangen bereits seit Jahren Negativzinsen, so zum Beispiel die Schweizer Nationalbank. Sie setzte den Leitzins Anfang 2015 auf minus 0,75%. Bis heute liegt er dort unverändert.

 

Weltweit können seit Jahren fallende Zinssätze beobachtet werden. Die populäre Begründung, die EZB sei daran schuld beziehungsweise Mario Dragi oder eben nun seine Nachfolgerin, greift leider ein wenig zu kurz. Volkswirte untersuchen diese Entwicklung natürlich intensiv. Dabei werden folgende Ursachen benannt:

1.     Die demografische Entwicklung in den westlichen Ländern

2.     Sinkendes Wirtschaftswachstum

3.     Niedrige öffentliche Investitionen in die Infrastruktur

4.     Investitionsgüter werden immer günstiger

5.     Steigende Einkommensungleichheit

6.     Die Schwellenländer sparen auch noch

7.     Hohe Renditeunterschiede zwischen sicheren und riskanten Kapitalanlagen

 

Die demografische Entwicklung sorgt im Verbund mit der Rentenpolitik dazu – Stichwort mehr privat vorsorgen –, dass die Leute sparen, sparen, sparen und das Kapital sicher anlegen wollen. Die Nachfrage nach sicheren Kapitalanlagen steigt damit. 

 

Geringeres Wirtschaftswachstum bedeutet zugleich eine geringere Nachfrage nach Investitionsgütern und zieht damit eine potentiell geringe Kreditnachfrage nach sich. Wer nichts investiert, muss auch nichts finanzieren. Verstärkend kommt hinzu, dass die Investitionsgüter relativ gesehen auch noch immer günstiger werden, was die Kreditnachfrage ebenfalls sinken lässt.

 

Die Einkommensunterschiede haben sich in den letzten Jahrzehnten weiter vergrößert. Und was hat das jetzt mit den niedrigen Zinsen oder gar Negativzinsen zu tun? Ganz einfach, wenn du mehr verdienst, als du ausgeben kannst, sparst du Geld. Nach der zweiten Yacht wird es langweilig. Und wenn die hohen Einkommensklassen immer höhere Einkommen verzeichnen können, steigt die Sparquote. Das Kapitalangebot steigt damit noch weiter an.

 

Südostasien, Indien, Südamerika, all diese Schwellenländer. so wurde früher gedacht, werden für ihren wirtschaftlichen Aufholprozess einen hohen Investitionsbedarf und damit eine hohe Kapitalnachfrage haben. Fehlanzeige. Dort wird ebenfalls viel gespart. China sucht ebenfalls mehr und mehr nach Kapitalanlagemöglichkeiten.

 

Last but not least streben immer mehr Kapitalanleger zu den immer knapper werdenden sicheren Kapitalanlagen wie zum Beispiel deutsche Staatsanleihen. Riskante Kapitalanlagen werden eher gemieden – Stichwort Alterssicherung.

 

So, jetzt mal kurz zusammenzählen: Kapitalangebot steigt, Kapitalnachfrage sinkt. Und wenn mehr angeboten als nachgefragt wird, fällt der Preis oder hier eben der Zinssatz. Jetzt kommt die EZB doch wieder ins Spiel: Mit dem Aufkauf von Staatsanleihen verknappt sie die Möglichkeit sicherer Kapitalanlagen noch obendrein und verstärkt diesen Effekt. Alleine verantwortlich für den niedrigen Zinssatz ist die EZB-Politik aber nicht. Es steht aktuell auch gar nicht in ihrer Macht, den Zinssatz nachhaltig spürbar zu erhöhen.

 

Und was hat das jetzt mit der Zombifizierung zu tun? Bei diesen sehr niedrigen Zinssätzen überleben Unternehmen, die bei höheren Zinssätzen längst vom Markt verdrängt worden wären, da sie aktuell Zugang zu sehr billigem Geld haben. Zombie-Firmen tilgen Altschulden, indem sie neue Kredite mit niedrigeren Zinssätzen aufnehmen und damit die teuren alten Kredite tilgen. Mit ihren Unternehmenserträgen alleine wären sie gar nicht mehr in der Lage, die Schulden noch zurückzuzahlen. Das Unternehmen ist also eigentlich bereits bankrott, tot. Nun könntest du denken, dass ist nicht mein Problem, solange du nicht bei einem solchen untoten Unternehmen arbeitest. Leider falsch gedacht. 

 

Solange solche Unternehmen am Markt tätig sind, behindern sie produktive Wettbewerber und verringern so das gesamte Wirtschaftswachstum. Zusätzlich entsteht mehr und mehr die Sorge, dass schon bei geringfügigen Zinserhöhungen eine Pleitewelle folgen könnte, welche die Wirtschaft in eine Rezession reißt. 

 

Wie berechtigt solche Sorgen sind, vermag niemand seriös zu sagen, da das Ausmaß der Zombifizierung nicht so einfach messbar ist. Nach verschiedenen Schätzungen sollen in Europa etwa 9 Prozent aller börsennotierten Unternehmen Zombie-Unternehmen sein. Auf anderen Kontinenten gibt es dieses Problem übrigens auch. Wie seriös diese Zahlen sind, wird euch leider niemand seriös beantworten können, außer vielleicht ein paar Crashpropheten, die bereits vor fünf Jahren den großen Crash vorhergesagt haben und das Untergangsdatum glücklicherweise immer wieder verschieben mussten.

 

Ich empfehle euch: macht euch über diese Zombie-Firmen nicht allzu zu viele Sorgen, außer ihr habt den Verdacht, dass eure Firma eine Zombie-Unternehmung sein könnte. Dann empfehle ich nachdrücklich, über einen Jobwechsel nachzudenken. Und passt bei der Kapitalanlage unabhängig davon immer auf! Geschäftsberichte oder unabhängige Finanzartikel lesen lohnt sich. Abrupte Änderungen des Leitzinses sind dagegen auszuschließen, keine relevante Notenbank wird einen solchen Kamikazekurs fahren. Wenn, dann wird der Zinssatz schrittweise angepasst.

 

Und beim Umgang mit den Zombies aus den Horrorfilmen: sorry, da kann ich euch gar keine Empfehlung geben, da ich damit gar keine Erfahrung habe.