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Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nach HGB

Zuerst zur Frage, was überhaupt ein schwebendes Geschäft ist. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

1.     Es wurde ein Vertrag zwischen zwei Akteuren, sagen wir mal Unternehmen abgeschlossen, der einen Leistungsaustausch vorsieht. Eine Leistung und eine Gegenleistung. Mit anderen Worten: Das eine Unternehmen verpflichtet sich vertraglich dazu etwas zu liefern oder bereitzustellen und das andere Unternehmen verpflichtet sich, das mit einem bestimmten Euro-Betrag zu bezahlen.

2.     Weder die Leistung noch die Gegenleistung wurden bisher erbracht.

Werden Anzahlungen geleistet, hat das keinen Einfluss, es bleibt auch dann zunächst ein schwebendes Geschäft. Beinhaltet der Vertrag Teilleistungen, die jeweils gesondert erbracht und abgerechnet werden, ist das Geschäft abgesehen von den bereits erbachten Teilen weiterhin schwebend.

 

Folgende Arten von Verträgen können ein schwebendes Geschäft zum Beispiel begründen: Ein Kaufvertrag, ein Werkvertrag oder Mietverträge. Und natürlich auch Verträge, welche die Erbringung von Dienstleistungen vorsehen.

 

Das Handelsrecht geht davon aus, dass die Leistung und Gegenleistung sich ausgleichen, also gleich viel Wert sind. Deshalb sind hier schwebende Geschäfte nicht zu bilanzieren.

 

Kommt es aber im Rahmen eines solchen Vertrags zu Problemen, die ganz klar erwarten lassen, dass Leistungen und Gegenleistung nicht mehr in einem fairen Verhältnis stehen werden und eines der beiden Unternehmen daraus einen Verlust erleiden wird, muss es dafür eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bilden. Um die Rückstellung bilden zu können müssen aber die folgenden zwei Punkte erfüllt sein:

- Man kann den Vertrag nicht mehr anpassen und kommt auch nicht mehr raus aus dem Vertrag.

- Der Verlust wird nicht mehr im laufenden Geschäftsjahr bis spätestens zum Jahresabschluss realisiert. Er wird vielmehr in einem der darauffolgenden Geschäftsjahre anfallen.

 

Kleine Feinheit am Rande: Nach HGB muss hier eine Rückstellung gebildet werden und in der Steuerbilanz darf dafür in Deutschland keine Rückstellung gebildet werden. Somit weichen bei so einem Fall die Handelsbilanz und die Steuerbilanz voneinander ab. 

 

Das schwebende Geschäft beginnt mit Vertragsabschluss. In manchen Fällen sogar davor, falls ein verbindliches Angebot abgegeben wurde und das andere Unternehmen bekundet, das Angebot anzunehmen. Das schwebende Geschäft endet bei Realisierung.

 

Jetzt noch ein paar Beispiele.

Der Onlinehändler Betazon hat mit einem Immobilienunternehmen einen langjährigen Pachtvertrag über einen großen Komplex mit mehreren Logistik- und Lagerhallen abgeschlossen, um das ständig wachsende Online-Geschäft bewältigen zu können. Vereinbart wurde eine jährliche Pacht von zwei Millionen Euro. Kaum ist der Vertrag rechtskräftig abgeschlossen, bricht das Onlinegeschäft ein – wegen des Ausbruchs einer bislang unbekannten Krankheit, die Kartons und Pappe innerhalb weniger Stunden zersetzt. Es wird immer schwieriger noch an Verpackungsmaterial für den Versand der Ware ranzukommen. Aufgrund der langen Lieferzeiten wenden sich die Kunden teilweise vom Onlinehandel ab und kaufen wieder komplett oldschool in Geschäften ein. Die Folge: Die neuen Hallen können nur noch zur Hälfte ausgelastet werden. Der Onlinehändler Betazon geht davon aus, dass das nächste Geschäftsjahr grade so schlecht weitergeht, bis ein Mittel zur Bekämpfung dieser Krankheit gefunden wird und die Kunden wieder zurückkehren werden. Es bildet deshalb eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von einer Million Euro, also der Hälfte der zu zahlenden Pacht.

 

Ein anderes Beispiel: Das Softwareunternehmen JWD hat mit dem Küchengerätehersteller Koch AG einen langjährigen Vertrag über eine Software zur Logistiksteuerung abgeschlossen. Später stellt sich heraus, dass die Koch AG den Vertrag zu einem schlechten Zeitpunkt abgeschlossen hat, da die Software nun deutlich günstiger zu haben ist. In Höhe der Differenz bildet die Koch AG eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, sofern die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Leistung und Gegenleistung wurden noch nicht erbracht. Ist das aber bereits der Fall, die Software wird bereits eingesetzt und wurde bezahlt, kann keine Rückstellung mehr gebildet werden. In der Situation wird stattdessen eine Teilwertabschreibung vorgenommen. Das Schöne daran: Teilwertabschreibungen sind handels- und steuerrechtlich erlaubt. Es kommt anders als bei der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu keiner Abweichung zwischen der Handels- und Steuerbilanz.

 

Ach ja, und falls euch mal das Wort »Drohverlustrückstellungen« über den Weg laufen sollte: damit sind Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gemeint.