· 

Der Kostenbegriff und die Entwicklung der Kostenrechnung

Die Kostenrechnung, genauer gesagt die Kosten- und Leistungsrechnung, blickt ja nun wirklich mittlerweile auf eine sehr lange Geschichte zurück. Es kann gesichert davon ausgegangen werden, dass bereits in der Steinzeit Kosten-Nutzen-Abwägungen getroffen wurden. Zum Beispiel bei der Planung des Überfalls auf eine benachbarte Höhle oder bei der Jagd. In der Antike musste sich so mancher Konsul im römischen Senat für seine kostspieligen Feldzüge Kritik anhören. Später erging es den Kaisern in Rom oder den Königen anderswo oft nicht besser und wenn sie für Kritik gar nicht offen waren, konnte dies bös und abrupt enden.

 

Im Mittelalter haben die Raubritter Kosten-Nutzen-Betrachtungen angestellt. Lohnt sich der Bau der Burg genau hier oder besser dort? Auch bei den heiligen Kreuzzügen hat die Betrachtung der Kosten die Geschichte maßgeblich beeinflusst. Die Kreuzritter wurden jahrhundertelang vom Papst immer wieder nach Jerusalem geschickt und wurden dessen eines schönen Jahres überdrüssig. Dieses ewige Blutvergießen und am Ende war der heilige Gral noch immer nicht in Rom. Hohe Kosten, kaum Nutzen.

 

Findige Ritter schlugen dem Papst deshalb vor, mal nicht in Jerusalem zu kreuzrittern, sondern neue, nahezu unbewohnte Gebiete an der Ostsee entlang zu erobern und zu besiedeln. Business eben. Später entstand daraus der Staat Preußen. Dieses Gründungsgen prägte Preußen Jahrhunderte bis ins Jahr 1871. Gewagt formuliert eine Mischung aus Kosten- und Leistungsrechnung und wohl kalkulierter Machtpolitik, kilometerweit weit weg von unserem heutigen Verständnis eines Nationalstaats.

 

Im 19. Jahrhundert geht es mit der Kosten- und Leistungsrechnung in Europa auf wissenschaftlicher Ebene richtig los. Es wird nun zwischen internes und externes Rechnungswesen unterschieden. Anfangs standen die Vollkosten im Fokus: Was kostet ein Produkt im Einkauf oder in der Herstellung und für wieviel kann ich es verkaufen. Die Kostenrechnung auf Basis von Vollkosten betrachtete dabei immer die Istkosten. 

 

Höchste Zeit für eine möglichst trockene Definition des Begriffs Kosten: Kosten sind der in Geld bewertete, sachzielbezogene Güter- und Leistungsverbrauch einer Abrechnungsperiode. Ich versuche den Satz mal zu übersetzen und fange beim sachzielbezogenen Güter- und Leistungsverbrauch an. Um ein Produkt oder eine Dienstleistung am Markt anbieten und verkaufen zu können, muss ich zunächst dafür sorgen, dass ich alle dazu benötigten Ressourcen zur Verfügung habe. 

 

Will ein Unternehmen zum Beispiel Schränke herstellen und verkaufen, benötigt es dazu Material, Mitarbeiter die entsprechend ausgebildet sind, Maschinen, Räume; Jemanden der sich um alle administrativen Vorgänge drumrum kümmert, jemand der die Schränke verkauft, jemand der das Design entwirft und einen Kopf, der das alles steuert. All das, was ich zur Herstellung der Schränke benötige ist ein sachzielbezogener Güterverbrauch. 

 

Wenn das Unternehmen nach einem Vulkanausbruch den Betroffenen Geld spendet, sind das im externen Rechnungswesen zwar auch Ausgaben und zugleich Aufwand, aber im internen Rechnungswesen keine Kosten, da sie nicht sachzielbezogen sind. Ein Schrank kann auch ohne diese Spende hergestellt werden.

 

Anderes Beispiel: Ein Unternehmen entwickelt Software und verkauft oder vermietet die Software an Kunden. Alles, was zur Entwicklung und dem Verkauf der Software benötigt wird, ist hier der sachzielbezogene Güter- und Leistungsverbrauch.

 

Jetzt zum nächsten Teil der Kostendefinition. Was steckt hinter der Aussage in Geld bewertet? Irgendwer oder irgendwas bezahlt am Ende immer für den sachzielbezogenen Güter- und Leistungsverbrauch. Entweder mit Geld, seiner Substanz, Existenz oder mit seiner Zeit. Falls mit Geld bezahlt wurde, ist der Fall einfach, da hier keine weitere Bewertung mehr vorgenommen werden muss. Im schlimmsten Fall wurde in einer Fremdwährung bezahlt und es muss noch mit dem richtigen Wechselkurs umgerechnet werden. 

 

Falls jemand mit seiner Zeit für die Herstellung und dem Verkauf der Schränke bezahlt haben sollte, im Unternehmen tätig ist und Lohn oder Gehalt dafür erhält, ist der Fall auch noch relativ einfach. Die ausbezahlten Entgelte an die Mitarbeiter stellen zugleich Kosten dar. Ist der Mitarbeiter aber nur angestellt um Spenden an Hilfsbedürftige auszuzahlen, wäre dessen Gehalt kein sachzielbezogener Güter- und Leistungsverbrauch, da er nichts zur Herstellung der Produkte beiträgt. 

 

Hat die Person aber jedoch gar kein Gehalt oder Lohn für seinen Einsatz erhalten, da er beispielsweise der Unternehmenseigner ist, sollten für diesen Zeitaufwand im internen Rechnungswesen Kosten angesetzt werden. Diese sind allgemein bekannt als kalkulatorischer Unternehmerlohn. 

 

Falls die Substanz einer Sache, Naturressourcen oder Menschen oder Tiere ausgebeutet wurden, ohne dafür bezahlt zu haben, werden im Unternehmen im internen Rechnungswesen hierzu keine Kosten angesetzt, auch wenn es ein sachzielbezogener Güter- und Leistungsverbrauch ist. Nur wenn der Staat hier eingreift und reguliert und so das Unternehmen so zur Kasse bittet, fallen wieder Kosten an. Ein Beispiel dafür könnte eine etwaige CO2-Steuer sein. Bleibt noch die Abrechnungsperiode. Das ist üblicherweise das Geschäftsjahr, welches meist mit dem Kalenderjahr übereinstimmt.

 

Und schon geht es weiter mit der Entwicklung der Kosten- und Leistungsrechnung. Eugen Schmalenbach verfasste im Jahr 1899 einen epochalen Artikel, in dem er sich mit den Grenzkosten befasste. Damit wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Teilkostenrechnung vollzogen. Etwa 50 Jahre später, es ist das Jahr 1953 regte sich Hans-Georg Plaut darüber auf, dass ihm die Vollkostenrechnung keine vernünftige Basis bei kurzfristigen Entscheidungen liefert. Er schloss die Lücke mit der Entwicklung der Grenzplankostenrechnung. Hier werden nur noch die variablen Kosten an die Kostenträger verrechnet. Die fixen Kosten bleiben zunächst stehen. Beim Verkauf eines Produkts wird dann der Erlös den Grenzkosten, also den variablen Kosten, gegenübergestellt. Das ist der sogenannte Deckungsbeitrag des Produkts zur Deckung der Fixkosten. Wenn alles rund läuft, können alle Fixkosten abgedeckt werden und es bleibt darüber hinaus auch noch etwas hängen. Später wurde die Grenzplankostenrechnung zur Fixkostendeckungsrechnung weiterentwickelt. Hier werden die Fixkosten differenzierter betrachtet.

 

Natürlich war das nicht das Ende der Geschichte der Kostenrechnung. 1959 entwarf Paul Riebel einen neuen Ansatz. Er war nämlich weder mit der Vollkostenrechnung noch mit der Grenzplankostenrechnung und deren Weiterentwicklungen zufrieden. Im Mittelpunkt seiner Kritik stand die Verteilung der mehr oder minder verursachungsgerechten Gemeinkosten auf die Produkte. Er entwickelte deshalb ein Kostenrechnungssystem, das auf die Schlüsselung der Gemeinkosten auf die Kostenträger verzichtet. Alle Gemeinkosten werden gleich als Einzelkosten erfasst und zugeordnet. Seine relative Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung ist in der Praxis jedoch nicht besonders verbreitet.

 

Über die Jahrzehnte wurde das Business immer volatiler. Genügten früher wenige Modellvarianten des VW Käfer oder fünf Jogurthsorten, so änderte sich das in den letzten Jahrzehnten massiv. Robin Cooper und Robert Kaplan entwickelten in den Neunzigerjahren in den USA das ABC Costing, Activity Based Costing. In Stuttgart verfeinerte wenig später Peter Horvath dies zur Prozesskostenrechnung. Mit der Prozesskostenrechnung sollte den immer kürzeren Produktlebenszyklen und der massiv gestiegen Produktvielfalt Rechnung getragen werden. Die Entwicklung geht unterdessen weiter in diese Richtung. Buzzwords wie Agile und disruptive Technologien pflastern sprachlich den Weg dabei.