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Strukturschwache Industrie: die Schlüssel-Produktkategorie 7 im Niedergang?

Die letzten Jahre waren für die deutsche Industrie nicht einfach. Mit dem US-Amerikanischen »Inflation Reduction Act«, der die staatliche Förderung an den Grad der heimischen Fertigung koppelt und dem chinesischen Regierungsplan »Made in China 2025«, der massive staatliche Subventionen für die chinesische Industrie vorsieht, ist auch der Ausblick in die Zukunft düster, zumal Deutschland und auch die EU momentan industriepolitisch im Vergleich kaum tätig sind. Ziehen tatsächlich dunkle Wolken auf?

 

Beunruhigend ist, dass die deutsche Industrie gegenüber China nicht nur im Automobilsektor Marktanteile verliert, sondern in der gesamten Produktkategorie 7 »Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge« des Internationalen Warenverzeichnisses für den Außenhandel (SITC - Standard International Trade Classification). Der Sektor 7 macht knapp die Hälfte der deutsche Exporte aus.

 

Doch zuerst ein kurzer Blick zurück ins Jahr 2018. In diesem Jahr hatte die deutsche Industrieproduktion ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Das Jahr 2019 lief dann aufgrund einer guten Binnenkonjunktur, also einer guten Inlandsnachfrage, auch noch ziemlich gut. Doch dann kam im Jahr 2020 der erste Corona-Lockdown. Weitere Lockdowns folgten. Mit staatlichen Stützungsmaßnahmen konnte der Einbruch jedoch überwunden werden. Das ging so bis ins Jahr 2021 weiter.

 

Im Jahr 2022 erfolgte der russische Angriff auf die Ukraine. Es folgte ein Energiepreisschock in Deutschland, die Inflation schnellte auf historisch extrem hohe Werte. Der Staat steuerte erneut mit staatlichen Maßnahmen dagegen an. Er erledigte also seinen Job. 

 

Doch kurze Zeit später kam es noch dicker. Der Schock durchdrang alle Wirtschaftsbereiche. Und damit nicht genug. Im November 2023 urteilte das Bundesverfassungsgericht über den Nachtragshaushalt der Regierung. Sie hatte mit all den Maßnahmen die im Grundgesetz vor wenigen Jahren festgeschriebene Schuldenbremse durchbrochen. Der Haushalt war damit nichtig. Eine auf zwei Nachkommastellen definierte Schuldenbremse im Grundgesetz bremste die Gegenmaßnahmen aus und wirkte sich auf die Investitionsentscheidungen der Wirtschaft entsprechend aus. 

 

Und hier scheiden sich nun die politischen Geister. Aber zunächst: Das Bundesverfassungsgericht musste so entscheiden, da ja die Schuldenregel von der Politik im Grundgesetz verankert wurde. Deshalb darf sie dagegen auch nicht verstoßen. Im zweiten Schritt kann die Politik nun diskutieren und abschließend entscheiden, ob die Schuldenregel noch passt oder nicht. Ich halte hier mal fest: In der Politik findet sich aktuell keine verfassungsgebende Mehrheit, um die Schuldenbremse zu ändern. Das ist das Signal an die deutsche Industrie. 

 

Und wie kommt das Signal eigentlich bei der deutschen Industrie an? Die Antwort lautet: Die Wirtschaftsakteure sind verunsichert, insbesondere im Hinblick auf transformatorische Investitionsentscheidungen. Der schnelle Anstieg der meisten Preise, verursacht durch gestiegene Energiepreise, trifft die Industrie und die privaten Haushalte. Auch wenn die Inflationsrate zwischenzeitlich wieder Richtung akzeptablen Korridor wandert, das Preisniveau ist durch die durchlebte Inflation im Vergleich zu den Vorkrisenjahren massiv erhöht.

 

Das massiv höhere Preisniveau wirkt sich auf die Konsumausgaben aus. Es gab zwar einige Lohnerhöhungen, dennoch erlitten die meisten Haushalte deutliche Realeinkommensverluste. Hinzu kommt eine gestiegene Sparquote, welches ein Zeichen der Verunsicherung der Verbraucher ist.

 

Neben der Konsumschwäche geht die Produktion in den energieintensiven Industrien zurück und auch der Hochbau leidet unter den gestiegenen Zinsen. Der Export schwächelt zudem. Das liegt zum einen an dem nicht mehr so stark steigenden Welthandel - Willkommen im neuen Zeitalter mit protektionistischen Tendenzen, aber auch an der wachsenden internationalen Konkurrenz. Der Anfangs erwähnte US-amerikanische »Inflation Reduction Act« und der chinesische Regierungsplan »Made in China« lässt die Konkurrenz erstarken. Das betrifft mittlerweile neben dem Automobilsektor auch den Maschinenbau und weitere Branchen wie der Elektroindustrie. Ohne eine vergleichbare Industriepolitik steht die deutsche Industrie damit vor strukturellen Herausforderungen und bleibt massiv unter Druck.

 

Der Podcast/Blog basiert auf dem Artikel »Die deutsche Konjunktur seit 2020 und die strukturelle Schwäche der Industrie« von Peter Hohlfeld und Dr. Thomas Theobald vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, kurz IMK, erschienen im Wirtschaftsdienst September 2024, 104. Jahrgang, Heft Nummer 9. Dieser Text wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de veröffentlicht.