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Warum gibt es Tank-Apps – aber keine Apps für Lebensmittelpreise?

Ein Blick auf den digitalen Preisdschungel zwischen Zapfsäule und Zucchini und Brezeln

 

In vielen deutschen Haushalten gehört die App „mehr-tanken“ oder ein ähnliches Tool längst zum Alltag: Wer heute noch blind zur nächstgelegenen Tankstelle fährt, hat entweder zu viel Geld oder zu wenig Geduld. Denn der Literpreis für Benzin oder Diesel kann sich – selbst im Umkreis von wenigen Kilometern – um mehrere Cent unterscheiden. Und das summiert sich bei einem vollen Tank schnell zu mehreren Euro.

 

Doch während wir mit wenigen Fingertipps den günstigsten Spritpreis finden, bleibt eine andere große Ausgabenkategorie im Dunkeln: Lebensmittel. Wo ist die App, die mir zeigt, wo die Milch heute nur 89 Cent statt 1,19 € kostet? Wo bleibt der digitale Preis-Kompass für Butter, Brot und Bananen?

 

Diese Frage klingt banal – ist aber gar nicht so leicht zu beantworten. Hier ist der Versuch einer Erklärung. Und vielleicht auch ein Aufruf an die App-Entwickler.

 

Teil 1: Warum funktionieren Tank-Apps so gut?

Die Antwort ist einfach – und sie hat einen Namen: Markttransparenzstelle für Kraftstoffe. Klingt sperrig, ist aber genial. Seit 2013 sind Tankstellen in Deutschland verpflichtet, Preisänderungen für Benzin und Diesel in Echtzeit an eine zentrale Datenbank des Bundeskartellamts zu melden. Diese Daten sind öffentlich zugänglich – und dürfen von Drittanbietern (wie App-Entwicklern) genutzt werden. Das Ergebnis: Tanken mit Preisvergleich in Echtzeit, für alle, kostenlos.

 

Hinter dieser Transparenz steckt ein ordnungspolitischer Gedanke: Der Kraftstoffmarkt war lange geprägt von intransparentem Preissetzungsverhalten, insbesondere bei den großen Ölkonzernen. Verbraucher sollten nicht länger „überrascht“ werden, sondern aktiv Preise vergleichen und dadurch den Wettbewerb ankurbeln.

 

Und siehe da – es wirkt: Viele Autofahrer sind heute preissensibler und fahren gezielt günstige Tankstellen an. Wer clever ist, spart locker 5 bis 10 Euro pro Monat. Manche sogar mehr.

 

Teil 2: Warum gibt es das nicht auch für Lebensmittel?

Lebensmittel sind nach Wohnen und Mobilität der größte Ausgabenposten in deutschen Haushalten. Im Gegensatz zu Benzin gibt es hier jedoch keine verpflichtende Preismeldung – und auch keine zentrale Datenbank. Jeder Supermarkt, jeder Discounter, jeder Bioladen setzt seine Preise selbstständig – oft täglich neu. Angebote wechseln, Aktionen kommen und gehen, manchmal sogar von Filiale zu Filiale unterschiedlich.

 

Die Gründe, warum es (noch) keine funktionierende Lebensmittelpreis-App gibt, sind vielfältig:

1. Keine gesetzliche Pflicht zur Preisoffenlegung

Während Tankstellen ihre Preise aktiv melden müssen, ist das bei Supermärkten freiwillig. Und wer seine Preise nicht teilen will, wird es auch nicht tun – zumindest nicht kostenlos. Das verhindert eine einheitliche, verlässliche Datengrundlage.

 

2. Komplexität der Produktvielfalt

Ein Liter Diesel ist ein Liter Diesel. Aber ein Liter Milch? Gibt’s von zehn Marken, in Bio und konventionell, in Glasflasche oder Tetrapak. Und dann noch Eigenmarken, Sondergrößen, Aktionsprodukte. Der Preisvergleich ist also nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich deutlich schwieriger.

 

3. Regionale Unterschiede

Ein Sonderangebot in Berlin-Neukölln gilt vielleicht nicht in München-Bogenhausen. Selbst innerhalb derselben Supermarktkette können sich Preise unterscheiden. Das macht flächendeckende Vergleiche zur Herausforderung.

 

4. Dynamische Preisgestaltung

Anders als Tankstellen ändern Supermärkte ihre Preise selten mehrfach täglich – aber wöchentlich, teils täglich. Viele Angebote gelten nur für bestimmte Uhrzeiten (z. B. „Happy Hour“) oder Zielgruppen (z. B. „nur mit Kundenkarte“). Auch das erschwert den Live-Vergleich.

 

5. Kaum Interesse der Anbieter

Warum sollten Supermärkte ein Interesse daran haben, ihre Preise vergleichbar zu machen? Sie leben von Kundentreue, Laufkundschaft und dem guten alten „Preisgefühl“. Ein echter Preisvergleich könnte die Kundschaft abwandern lassen – und das ist betriebswirtschaftlich nicht attraktiv.

 

Teil 3: Es gibt Ansätze – aber sie funktionieren (noch) nicht richtig

Einige Start-ups haben versucht, den Lebensmitteleinkauf digital zu optimieren. Apps wie „Smhaggle“ oder „Marktguru“ zeigen Angebote aus Prospekten – aber keine echten, tagesaktuellen Preise. Andere Projekte versuchten, mithilfe von Nutzern Preisdaten zu sammeln – etwa durch das Scannen von Kassenbons oder das Melden von Angeboten. Aber auch diese Modelle sind aufwendig, fehleranfällig – und oft wirtschaftlich nicht tragfähig.

 

Selbst Giganten wie Google oder Amazon haben sich am digitalen Preisvergleich für Lebensmittel die Zähne ausgebissen. Der Aufwand ist schlicht zu groß. Und solange keine gesetzliche Datenpflicht existiert, bleibt das Projekt eher ein Nischen-Experiment.

 

Teil 4: Ein Wunschtraum – oder doch die Zukunft?

Stell dir vor: Eine App zeigt dir auf Knopfdruck, wo du in deiner Umgebung den günstigsten Wocheneinkauf bekommst. Sie berücksichtigt Rabatte, Angebote, Markenpräferenzen, Bio-Vorlieben – und spart dir Woche für Woche bares Geld.

 

Unmöglich? Nicht ganz.

Mit dem Aufstieg von Online-Lebensmittelhändlern wie Rewe Online, Picnic oder Amazon Fresh entstehen neue Datenquellen. Auch mit dem Kassenzettel-Upload von Payback, DeutschlandCard & Co. könnten perspektivisch Millionen Datensätze genutzt werden – wenn die Anbieter das denn wollten.

 

Die Politik könnte ebenfalls Impulse setzen: Eine gesetzliche Markttransparenzstelle für Lebensmittel – ähnlich wie beim Tanken – würde die Datenlage revolutionieren. Doch bis dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein.

 

Fazit: Zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit

Dass wir heute per App die günstigste Tankstelle finden, ist ein Beispiel für gelungene digitale Verbrauchertransparenz. Dass es das Gleiche nicht für Lebensmittel gibt, liegt nicht an der Technik – sondern an fehlendem politischem Willen, wirtschaftlichen Interessen der Händler und der Komplexität des Warenangebots.

 

Aber wer weiß: Vielleicht wird die Lebensmittelpreis-App der Zukunft gerade irgendwo in einer Garage in Berlin programmiert. Oder im Rechenzentrum des Bundeskartellamts.

Bis dahin heißt es: Prospekte blättern, Angebote vergleichen, Augen auf im Supermarktverkehr.

 

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Abschließend noch der Hinweis, dass das hier keine rechtliche Beratung für eure individuelle Situation ist.