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Wenn Investoren plündern: Der Fall H+E und die Lehren fürs Controlling

Asset Stripping – dieser Begriff klingt nach Wirtschaftskrimi. Der Fall des Stuttgarter Wasseraufbereitungsspezialisten H+E zeigt, dass diese Praktik nicht nur real ist, sondern auch für Controller, Finanzverantwortliche und Aufsichtsorgane eine enorme Relevanz hat.

Was ist Asset Stripping?

Asset Stripping beschreibt das gezielte Ausschlachten eines Unternehmens durch den Verkauf seiner Vermögenswerte. Das Ziel: kurzfristige Gewinnmaximierung – häufig auf Kosten der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und Gläubiger. Oft ist Asset Stripping mit undurchsichtigen Beteiligungsstrukturen verbunden. Rechtlich bewegt sich das Ganze dabei oft in einer Grauzone, in Einzelfällen auch klar im Bereich des Betrugs.

Der Fall H+E: Ein Lehrstück

Die H+E GmbH mit Sitz in Stuttgart ist ein weltweit tätiger Spezialist für Wasser- und Abwasseraufbereitung. Nach einer Insolvenz im Jahr 2014 wurde das Unternehmen von Investoren übernommen – darunter eine Holdingstruktur mit Sitz im Kanton Zug (Schweiz). Die britische Investorin Jennifer L. Wick erwarb über Wotan AG und weitere Vehikel die Mehrheit an H+E. In den Folgejahren wurde das Unternehmen aus Sicht von Gläubigern systematisch entkernt: Vermögenswerte wurden veräußert, Gewinne aus dem Verkauf sollen über verschiedene Stationen in andere Firmen geflossen sein.

Der aktuelle Stand: Trotz guter Auftragslage musste H+E 2025 erneut Insolvenz anmelden. Es fehlen liquide Mittel, Investoreninteressen dominieren – dabei steht der Vorwurf im Raum, dass wesentliche Unternehmenswerte bereits in den vergangenen Jahren abgeschöpft wurden. Jochen Wermuth, ein prominenter Investor, spricht von einer „Quasi-Enteignung“ und kündigt rechtliche Schritte an.

Relevanz fürs Controlling

Für das Controlling ergeben sich aus Fällen wie diesem mehrere wichtige Erkenntnisse:

·       1. Risikofrüherkennung: Controller müssen nicht nur operative Risiken, sondern auch strategische und strukturelle Risiken erkennen. Wenn Eigentümer- oder Beteiligungsstrukturen unklar oder aggressiv finanzgetrieben erscheinen, sind besondere Kontrollmechanismen erforderlich.
2. Cashflow-Analysen statt nur GuV: Ein bilanziell profitables Unternehmen kann durch gezielte Liquiditätsabflüsse (z. B. durch Ausschüttungen, Verkäufe oder Lizenzgebühren an verbundene Gesellschaften) ausgehöhlt werden. Die Cashflow-Analyse zeigt solche Risiken früher als die GuV.
3. Transparenzpflichten im Beteiligungscontrolling: Bei komplexen Holdingstrukturen muss das Beteiligungscontrolling insbesondere bei Investoren mit Private-Equity-Hintergrund sensibel auf mögliche Asset-Stripping-Risiken achten. Besonders bei Verkäufen innerhalb der Gruppe ist die Dokumentation marktüblicher Konditionen essenziell.
4. Verantwortung der Wirtschaftsprüfer: Der Fall H+E zeigt auch, wie wichtig eine kritische Prüfung von Transaktionen und Werthaltigkeit ist. Wenn Bilanzwerte durch konzerninterne Verkäufe künstlich aufgebläht oder verschoben werden, sind Aufsichtsrat und Prüfer in der Pflicht.

Fazit: Asset Stripping ist nicht nur ein juristisches Problem

 

Der Fall H+E ist ein Beispiel dafür, wie wichtig ein robustes, kritisch agierendes Controlling ist – insbesondere bei internationalen Investorenstrukturen. Asset Stripping untergräbt nicht nur das Vertrauen in die Kapitalmärkte, sondern kann ganze Geschäftsmodelle gefährden.

Controller und CFOs sollten sich daher auch mit scheinbar „strategischen“ Entscheidungen im Gesellschafterkreis befassen – und klare Kontrollmechanismen etablieren. Denn wer nicht nur „zählt“, sondern auch „hinschaut“, schützt das Unternehmen vor langfristigem Schaden.