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Was ist Involution – und warum sie Chinas Wirtschaft lähmt

Wettbewerb gilt gemeinhin als Motor des Fortschritts. Unternehmen bringen neue Produkte auf den Markt, Verbraucher profitieren von Innovationen, und Gewinne ermöglichen weitere Investitionen. So entsteht eine Spirale der „Evolution“ im ökonomischen Sinne. Doch in China ist in den letzten Jahren ein gegenteiliger Prozess zu beobachten, den die dortige Debatte als „Involution“ bezeichnet. Dieser Begriff beschreibt eine Art Rückschritt im Wettbewerb: Firmen überbieten sich nicht mit besseren Ideen oder höherer Qualität, sondern allein mit niedrigeren Preisen – oft bis unter die eigenen Produktionskosten. Das Ergebnis sind Überproduktion, Deflation und ein ruinöser Wettlauf nach unten.

Involution in China: Von Innovation zu Preisverfall

Besonders sichtbar ist das Phänomen in den Zukunftsbranchen, die eigentlich Chinas Wachstum treiben sollten: Elektroautos, Solarzellen oder Textilien für den Onlinehandel. Oft springen gleich Dutzende Provinzen auf denselben Trend auf, befeuert durch billige Staatskredite und Subventionen. Was zunächst nach Dynamik klingt, endet rasch in einer unkontrollierten Überproduktion.

So senkte etwa BYD, Chinas größter E-Auto-Hersteller, die Preise für zahlreiche Modelle drastisch, um Marktanteile zu sichern. Andere Anbieter wie Xpeng Motors sehen sich gezwungen, mitzuziehen – selbst wenn kaum noch Gewinne übrig bleiben. Ein ähnliches Bild zeigt die Textilindustrie in Hebei: unzählige Fabriken liefern sich Preisschlachten, viele mussten bereits schließen, doch die Überkapazitäten bleiben bestehen.

Das Problem: immer niedrigere Preise schaffen keine Gewinner. Was kurzfristig Konsumenten freut, gefährdet langfristig Arbeitsplätze, Unternehmensstabilität und die gesamte Binnenwirtschaft.

Auswirkungen auf Weltmärkte

Da Chinas Konsumnachfrage wegen der Immobilienkrise schwach ist, drängen viele Hersteller aggressiv auf Auslandsmärkte. Plattformen wie Temu oder Shein überschwemmen Europa, die USA oder Indonesien mit Billigprodukten. Für heimische Anbieter ist es nahezu unmöglich, mitzuhalten – ganze Branchen geraten unter Druck. In den USA reagierte die Politik bereits mit höheren Zöllen und einer Absenkung der Freigrenze für zollfreie Importe. Auch andere Länder ziehen nach.

Die Folgen im Inland sind ebenfalls gravierend: Seit acht Quartalen sinken die Verbraucherpreise. Damit droht China eine Deflationsspirale, die Konsum und Investitionen weiter bremst. Käufer verschieben ihre Ausgaben, weil sie morgen mit noch niedrigeren Preisen rechnen – ein Teufelskreis, aus dem schon Japan jahrzehntelang kaum herauskam.

Politische Reaktionen

Staats- und Parteichef Xi Jinping selbst warnte jüngst vor „irrationalem Wettbewerb“ und kündigte stärkere Regulierung an. So sollen Zombie-Firmen, die nur dank Subventionen weiter existieren, konsequenter abgewickelt werden. Zudem will die Regierung die Preispolitik in Schlüsselbranchen wie E-Autos überwachen. Ob solche Eingriffe genügen, bleibt offen. Viele Experten befürchten, dass der Strukturwandel in China eher gebremst wird, wenn politische Stellen anstelle des Marktes über Gewinner und Verlierer entscheiden.

Involution als Warnsignal

Der Begriff „Involution“ ist damit mehr als ein chinesisches Schlagwort – er beschreibt eine Gefahr, die auch andere Volkswirtschaften kennen: Wettbewerb, der sich in Zerstörung statt in Fortschritt verwandelt. Überkapazitäten, Preiskriege und Deflation sind Risiken, die sich auch auf die Weltwirtschaft übertragen können. Für Europa heißt das: Genau hinsehen, wo günstige Importe Innovation fördern – und wo sie eigene Märkte und Arbeitsplätze bedrohen.

Fazit: Involution ist das Gegenteil von gesundem Wettbewerb. Während Evolution Fortschritt schafft, führt Involution in die Sackgasse. China steht exemplarisch dafür, wie eine ungebremste Industriepolitik, billige Kredite und Überkapazitäten das Wachstumsmodell einer ganzen Volkswirtschaft ins Wanken bringen können.